Eine Patientin wird auf einer Station in der Charité in ihr Zimmer gebracht.
Der Krankenhausatlas soll es Patienten einfacher machen, sich online über Kliniken zu informieren (Symbolbild). Bildrechte: picture alliance/dpa | Britta Pedersen

Lauterbachs Krankenhausatlas startet "Ungeeignet" und "verwirrend": Umfassende Kritik an Online-Register für Kliniken

02. Mai 2024, 10:55 Uhr

Der Krankenhausatlas soll am 16. Mai öffentlich präsentiert werden. Eine Testversion ist bereits zum Monatsanfang an den Start gegangen. Das Register soll einen besseren Überblick über Behandlungsmöglichkeiten und Fallzahlen in Krankenhäusern geben – was eigentlich im Sinne der Patientinnen und Patienten ist. Trotzdem kommt Kritik von Patientenschützern.

Seit dem 01. Mai ist eine Testversion des neuen Krankenhausatlas online. Mit dem Register sollen sich Patientinnen und Patienten bald besser über Krankenhäuser informieren können. Ab dem 16. Mai wird dem Gesundheitsministerium zufolge dann die Vollversion öffentlich zugänglich sein.

Überblick über Kliniken und Behandlungen

Mit dem Atlas sollen sich Patientinnen und Patienten nach Angaben des Gesundheitsministeriums interaktiv etwa darüber informieren können, in welchem Krankenhaus bestimmte Eingriffe wie häufig vorgenommen wird.

Das soll funktionieren, indem die rund 1.900 Krankenhäuser in Deutschland nun verpflichtet werden, ihre Daten an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zu übermitteln. Darunter: Daten zu Fallzahlen, also zur Behandlungserfahrung des jeweiligen Krankenhauses, zum Personalschlüssel bei Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften sowie zu Komplikationsraten ausgewählter Eingriffe. Diese Daten sollen alle online in einem Transparenzverzeichnis veröffentlicht und aktualisiert werden. Per Datenvergleich können Patienten so herausfinden, welche Klinik für den entsprechenden Eingriff spezialisiert ist.

Bessere Abschätzung von Folgen geplant

Die Idee hinter dem Krankenhausatlas ist, dass die Krankenhauslandschaft in Deutschland effizienter und dadurch günstiger wird, gleichzeitig sollen eine bessere Behandlungsqualität und eine flächendeckende medizinische Versorgung erreicht werden.

Ab Oktober sollen die Kliniken dafür in 65 Leistungsgruppen eingeteilt werden. Krankenhäuser werden künftig nicht mehr alle Arten von Behandlungen anbieten, sondern nur jene, für die sie besonders qualifiziert sind. Größere Krankenhäuser könnten sich dadurch zunehmend spezialisieren, während kleinere Kliniken vor allem die Grundversorgung in der Region abdecken sollen.

Hintergrund Das Krankenhaustransparenzgesetz, in dem der Online-Atlas verankert ist, ist Teil der geplanten großen Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Ein zentrales Ziel des Gesetzes ist, dass die Bürger sich über die Leistungen der Krankenhäuser besser informieren und so entscheiden können, wo sie sich behandeln lassen wollen. Lauterbach hat mehrfach die Bedeutung von mehr Transparenz und stärkerer Spezialisierung in der Krankenhauslandschaft betont: Ungefähr ein Drittel der Krebspatienten werde derzeit nicht dort behandelt, wo optimale Ergebnisse zu erwarten wären.

Noch im laufenden Jahr bekommen die Länder laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein neues Instrument für die Krankenhausplanung zur Folgenabschätzung. So können die Auswirkungen bewertet werden, wenn an bestimmten Kliniken einzelne Leistungsangebote gestrichen werden.

Dafür sei Deutschland in 84.000 Zellen je 1.000 Einwohner eingeteilt worden. Damit könne etwa geprüft werden, wie viele Häuser in einer Region Wirbelsäulenchirurgie anböten, wo das für die Sicherstellung der Versorgung nötig sei und wo der Wegfall dieses Angebots in vertretbarer Entfernung ausgeglichen werden könne. 

Kritik: Versteckte Strukturbereinigung, viel Bürokratie

Die Länder fürchten, dass der Bund durch die Hintertür ihre Hoheit bei der regionalen Krankenhausplanung einschränkt. Der Vorwurf: Lauterbach wolle das Transparenzgesetz nutzen, um den Häusern Leistungsgruppen zuzuweisen und sie in Level einzuteilen. Indirekt gehe es dem Minister um eine versteckte Strukturbereinigung der Krankenhauslandschaft. Im Gesetz heißt es dazu allerdings, dass der Klinikatlas keine Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder und die Krankenhausvergütung habe.

Sozialverband: Level-Einteilung sorgt für Verwirrung

Der Sozialverband VdK kritisiert, dass die Einteilung in Level bzw. Leistungsgruppen zu Verwirrung bei Patientinnen und Patienten führen kann. Diese habe keine praktische Relevanz für die stationäre Versorgung. Es müsse dafür immer auf die Bewertung in der entsprechenden Leistungsgruppe geschaut werden.

Außerdem sei der Krankenhausatlas nicht ausreichend barrierefrei, bemerkt der Verband. Und: Faktoren wie Mortalität oder Hygienestandards sollten ebenfalls enthalten sein.

Stiftung Patientenschutz nennt Klinikatlas "ungeeignet"

Die Stiftung Patientenschutz hält eine Krankenhausreform für notwendig. "Schließlich sind Ballungszentren überversorgt und ländliche Regionen bluten aus. Um diese gefährliche Entwicklung zu stoppen, muss zumindest die klinische Grundversorgung in strukturarmen Gebieten gesichert sein", erklärt Vorstand Eugen Brysch. Patienten und ihre Angehörigen würden in Krankenhäusern täglich unter fehlenden Ansprechpartnern, Verschiebungen medizinischer Untersuchungen, langen Wartezeiten und Terminabbrüchen leiden.

Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz.
Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Bildrechte: picture alliance/dpa/Deutsche Stiftung Patientenschutz | -

Der vorgesehene Klinikatlas sei jedoch ungeeignet. "Denn darin wird nur die Zahl der Beschäftigten zu den vorhandenen Betten, der Behandlungshäufigkeit sowie der Komplikations- und Sterblichkeitsrate ins Verhältnis gesetzt", sagt Brysch. "Es mangelt nach wie vor an verbindlichen Leitlinien und Bewertungsfaktoren, die die Arbeit am und mit dem Patienten in den Blick nehmen."

Es mangelt nach wie vor an verbindlichen Leitlinien und Bewertungsfaktoren, die die Arbeit am und mit dem Patienten in den Blick nehmen.

Eugen Brysch Vorstand Stiftung Patientenschutz

Die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärten, der Online-Atlas des Gesundheitsministeriums bringe wenig neue Informationen für Patienten und viel zusätzliche Bürokratie für das Personal. Alle Krankenhäuser legten bereits seit Jahrzehnten Berichte über ihre Aktivitäten vor - etwa im Deutschen Krankenhausverzeichnis.

Das Deutsche Krankenhausverzeichnis

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlicht und aktualisiert jährlich seit mehr als zwei Jahrzehnten das Deutsche Krankenhausverzeichnis. Für jedes Krankenhaus könnten Patienten dort bislang schon Informationen zu Behandlungsangeboten, Fallzahlen, Personalausstattung und Qualitätsergebnissen erfahren.

Der neue Krankenhausatlas ersetzt das Angebot der Krankenhausgesellschaft allerdings nicht: Dieser soll laut Gesundheitsministerium neben zusätzlichen Daten vor allem auch die Möglichkeit einer Bewertung der Alternativen durch die Patienten bieten. So sei etwa die Angabe von Fallzahlen ohne Bezugsgröße – wie im Verzeichnis der DKG – nicht aussagekräftig.

kna/epd/MDR (yvo)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 27. April 2024 | 19:00 Uhr

6 Kommentare

Deutscher_Patriot vor 2 Wochen

Tun sie das wirklich? Tun "so viele" kritisieren?
Oder behauptet ihr vom MDR das nur?
Wer konkret kritisiert denn Lauterbach?
Und sind das viele, angesichts der 80 Millionen, die wir sind, und angesichts der weit über 79 Millionen, die NICHT kritisieren

Die richtige Überschrift muss lauten:
"Warum so viele Lauterbach NICHT kritisieren."

Ich kritisiere ihn auch nicht. Das ist auch einen Artikel wert!

... mal über guten Journalismus nach denken ....

pepe79 vor 2 Wochen

Gut mir Leid, dee Atlas jst unnütze Büfokrstie und die wollen eir figentlich abbauen. Klinikpersondl hat schon viel tu viel damit zu tun Dinge zu erledigen die nichts mit der Patientenversorgung zu tun haben. Im Grunde wird ein Pstient für eine Behandlung vom ambulanten Arzt in die Klinik eingewiesen und diese kennen sich fut aus wo welche Leistungen gut erbracht werden.
Im Osten wird es übrigens kaum zu einer Bereinigubg kommen, das passierte schon. Pösneck wird ja stark eingeschränkt was auch Sinn macht, ansonsten ist bei uns diese Berrinigung schon in den 90ern erfolgt.
Allerdings muss such das Gesundheitswesen von Grundauf ändern da mit es finanzierbar bleibt, dieser Atlas sorgt nur füt weitere Kosten..

hilflos vor 2 Wochen

Ich habe so meine eigenen Erfahrungen zum Gesundheitswesen in D.
Sicher mag vieles auf hohem Niveau sein, manches ist aber einfach unterirdisch. Ich suchte als privatversicherter einen Augenarzt, OK zufälligerweise einen in 40km gefunden mit Termin in 2 Monaten.
Eine Bekannte (Jg 1933) bekam eine Überweisung zum Hautarzt... 116117....im Umkreis von 100km könnte KEIN Termin angeboten werden... Da muß man sich über die Kliniken und Krankenhäuser nicht sorgen, denn im Zweifel bist du einfach nicht krank und bildest es dir ein.
Ich berichte aus dem Saalekreis

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