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Nach vier Prozesstagen hat das Landgericht Halle den AfD-Politiker Björn Höcke zu einer Geldstrafe verurteilt. Mehr zum Prozess im Audio. Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ronny Hartmann
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Björn Höcke ab Donnerstag in Halle vor Gericht – Einschätzungen von MDR-Investigativreporter Bastian Wierzioch

MDR SACHSEN-ANHALT Mi 17.04.2024 18:49Uhr 03:37 min

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AfD-Politiker Höcke in Halle vor Gericht: Fragen und Antworten zu Urteil und Prozess

15. Mai 2024, 19:09 Uhr

Thüringens rechtsextremer AfD-Chef Björn Höcke ist vor dem Landgericht Halle zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Er soll wissentlich eine verbotene NS-Losung verwendet haben. Höcke bestreitet die Vorwürfe. Die Verteidigung fordert Freispruch und prüft, in Revision zu gehen. Auch die Staatsanwaltschaft prüft Rechtsmittel. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Urteil und zum Prozess.

Was wird Höcke vorgeworfen?

Höcke soll im Mai 2021 die verbotene SA-Parole "Alles für Deutschland!" in einer Rede in Merseburg (Saalekreis) in Sachsen-Anhalt verwendet haben. Dieser Ausspruch ist in Deutschland verboten. Das Landgericht Halle sah es als erwiesen an, dass Höcke die Parole wissentlich geäußert hat und ihn wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs zu einer Geldstrafe verurteilt.

Außerdem wird ihm vorgeworfen, die Losung im Dezember 2023 auch bei einer AfD-Veranstaltung im thüringischen Gera verwendet zu haben. Dabei soll Höcke als Redner den ersten Teil der Losung "Alles für" selbst ausgesprochen und das Publikum durch Gesten animiert haben, "Deutschland" zu rufen.

Warum der Fall in Gera getrennt verhandelt wird

Ursprünglich sollten beide Fälle gemeinsam vor dem Landgericht in Halle verhandelt werden. Kurz vor Beginn des Prozesses hat die Kammer jedoch beschlossen, den Fall in Gera von dem in Merseburg abzutrennen. Grund dafür ist einer Gerichtssprecherin zufolge, dass Höckes Verteidigung kurzfristig gewechselt hat und daher keine Gelegenheit hatte, in die Akten zum Fall in Gera Einsicht zu nehmen.

Als Höcke die Parole das zweite Mal im Dezember 2023 öffentlich verwendete, war bereits bekannt, dass er sich für den ersten Fall aus dem Mai 2021 vor Gericht verantworten muss. Verhandlungstermine für den zweiten Fall gibt es aber noch nicht.

Paramilitärische Organisation der NSDAP Die Sturmabteilung (SA) war die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP. Die SA spielte unter anderem beim Aufstieg der Nationalsozialisten vor der Machtergreifung 1933 eine entscheidende Rolle.

Wie lautet das Urteil – und wie geht es weiter?

Nach vier Prozesstagen hat das Gericht Höcke am 14. Mai zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 130 Euro verurteilt, insgesamt also 13.000 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und eine Revision innerhalb einer Woche möglich.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits kurz nach der Urteilsverkündung erklärt, mögliche Rechtsmittel zu prüfen. Sie hatte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten gefordert, ausgesetzt für zwei Jahre auf Bewährung. Zudem sollte Höcke 10.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen soll. Höckes Behauptung, er habe nicht gewusst, dass die Parole verboten sei, wies Staatsanwalt Benedikt Bernzen zurück.

Höckes Verteidigung dagegen hatte einen Freispruch gefordert und schon während des Prozesses angekündigt, Rechtsmittel gegen eine mögliche Verurteilung einzulegen. Entschieden sei aber noch nichts, sagte Anwalt Ralf Hornemann am Mittwoch nach dem Urteilsspruch.

Polizisten vor dem Justizzentrum in Halle
Vor dem Justizzentrum Halle waren beim Prozessauftakt gegen Björn Höcke im April viele Polizisten im Einsatz. Bildrechte: picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt

Was sagt der AfD-Politiker?

Höcke hat die Vorwürfe vor und während des Prozesses abgestritten. Der AfD-Politiker, der als Geschichtslehrer gearbeitet hat, erklärte, er habe nicht gewusst, dass "Alles für Deutschland" eine SA-Parole sei. Vielmehr sprach er zuletzt von einem "Allerweltsspruch". In einem Fernsehduell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt verteidigte er seine Wortwahl und erklärte, letztlich habe er den Slogan "America First" von Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen.

Ist Höckes Argumentation glaubhaft?

Laut Staatsanwalt Benedikt Bernzen nicht: Für ihn sei die Parole ein "historischer Fakt", erklärte er in seinem Schlussplädoyer. Zudem habe Höcke auch an anderer Stelle NS-Vokabular verwendet, als "gezielte, planvolle Grenzüberschreitungen". Das Gericht sah es letztlich als erwiesen an, dass Höcke die Äußerung wissentlich verwendet hat.

Auch nach Einschätzung von Bastian Wierzioch vom MDR-Investigativ-Team gibt es Indizien dafür, dass Höcke vorsätzlich gehandelt haben könnte. Zum einen handelt es sich um eine Doppelanklage – Höcke werden also gleich zwei Sachverhalte der gleichen Art vorgeworfen. Außerdem ist Höcke ehemaliger Geschichtslehrer eines Gymnasiums in Hessen – was nahelegt, dass er sich mit deutscher Geschichte etwas genauer auskennt.

Auf der Plattform X hat sich Höcke zudem jüngst zu den Regelungen im Strafgesetzbuch geäußert, die das Verwenden von NS-Parolen verbieten. Sie zielten darauf ab, "Deutschland daran zu hindern, sich wieder zu finden", so Höcke. Diese Kritik könnte ein weiteres Indiz sein. Denn wer sich so verteidigt, müsste eigentlich gewusst haben, dass es sich um eine SA-Losung gehandelt hat. Diese Äußerungen Höckes bei X könnten deshalb auch vor Gericht relevant sein.

Wie ging Höcke mit dem Prozess um?

Höcke versuchte den Anschein zu erwecken, dass er zu Unrecht verfolgt werde. Im Internet beklagte er eine angebliche politische Verfolgung und angebliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Bei X hatte der AfD-Politiker jeden eingeladen, nach Halle zu kommen, um sich ein Bild von der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland zu machen.

Höcke wollte den Prozess also als Bühne nutzen. Am Rande der Urteilsverkündung soll Höcke gesagt haben, er habe das Gefühl, ein politisch Verfolgter zu sein.

Was bedeutet die Geldstrafe für Höcke?

Eine Sprecherin des Landgerichtes hatte bereits am zweiten Prozesstag erklärt, die Kammer erwarte keine Freiheitsstrafe. Am 14. Mai wurde Höcke schließlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Sollte er in Revision gehen, die Staatsanwaltschaft jedoch nicht, ist aufgrund des sogenannten Verschlechterungsverbotes keine höhere Strafe möglich. Gehen beide in Revision, ist das Strafmaß nach oben offen.

Unabhängig von der Höhe der Strafe gilt allerdings als vorbestraft, wer rechtskräftig verurteilt wurde, erklärte eine Sprecherin des Landgerichtes nach Ende des Prozesses. Das werde im Bundeszentralregister eingetragen, in dem alle rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteile in Deutschland vermerkt sind.

Einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis gibt es der Sprecherin zufolge ab einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen, sofern keine weiteren Einträge im Zentralregister vorliegen. Wird das aktuelle Urteil von 100 Tagessätzen rechtskräftig, würde Höcke also einen Eintrag im Bundeszentralregister und im Führungszeugnis bekommen.

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Was sind die Reaktionen auf das Urteil?

Sebastian Striegel, Grünen-Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt, hatte Höckes Äußerung angezeigt. Er begrüßte das Urteil. Es zeige, "dass der Rechtsstaat funktioniert und dass für solche Parolen auf unseren öffentlichen Straßen und Plätzen kein Raum ist."

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) äußerte sich ähnlich, betonte aber, dass die AfD das Urteil nutzen werde, um sich als Opfer darzustellen. Diese Erzählung müsse man entlarven: "Das ist der Rechtsstaat, der hier funktioniert."

Mario Voigt, Chef der Thüringer CDU, erklärte, ein verurteilter Straftäter wie Höcke dürfe keine politische Verantwortung in Thüringen bekommen. Höcke habe es nach dem Urteil "amtlich, dass seine Nazi-Parolen nicht rechtens sind". Voigt fügte hinzu: "Es bleibt aber unsere Verantwortung, ihn an der Wahlurne zu schlagen."

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dpa, MDR (Bastian Wierzioch, Lars Wohlfarth, Felix Fahnert, Lucas Riemer, Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 18. April 2024 | 19:00 Uhr

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